Vom Warten - eine Kurzgeschichte

schwule Geschichte

...
Sonntag, 23. Oktober 2023.
16:11 Uhr -
Missmutig starre ich in meine noch gut gefüllte Kaffeetasse.
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Das kleine Café am Rande des Marktlatzes ist nur spärlich gefüllt, die wenigen Gäste unterhalten sich flüsternd oder beobachten gelangweilt die gewaltigen Wassermassen, die ohne Unterlass vom Himmel stürzen.
Obwohl der Raum von der heimeligen Wärme eines großen Kamins erfüllt ist, schlinge ich die noch immer leicht tauben Finger dankbar um das heiße Porzellangefäß.
Ungeduldig rutsche ich auf meinem Sitzpolster hin und her.
Die sonst so beruhigende Geräuschkulisse aus leisem Stimmengewirr und klappernden Tellern trägt heute bloß zu meiner ohnehin schon beachtlichen Anspannung bei. Rastlos trommle ich mit meinen Fingerkuppen auf der hölzernen Tischplatte und gewinne so die Aufmerksamkeit einiger missbilligend dreinschauender Augenpaare.
Abwechselnd schiele ich aus dem riesigen Ladenfenster und auf die gemütlich plaudernden Gäste, die hier allesamt vor dem Gewitterschauer Zuflucht gesucht haben.
Zur Theke schaue ich nicht mehr, denn die Aushilfe, die dort hinter den Tresen steht und Gläser poliert, hat meine Unruhe längst bemerkt und wirft mir, mein Verhalten richtig deutend, schon seit geraumer Zeit mitleidige Blicke zu.
Den leeren Stuhl vor mir ignoriere ich ebenfalls so gut wie möglich.
Betont neutral betrachte ich jetzt die Uhr am Rathaus, deren Ziffernblatt durch den dichten Regen nur verschwommen zu erkennen ist. Seufzend ziehe ich mein Handy zurate- viertel nach vier.
Warum, zum Geier, dauert das so lange?!
Auch einige weitere Nachforschungen bringen kein zufriedenstellendes Ergebnis: kein entgangener Anruf, keine WhatsApp-Nachricht und auch das iboys-Postfach bleibt leer.
Enttäuscht stecke ich das Gerät zurück in meine Hosentasche und versenke meinen Löffel gedankenverloren in der immer noch leicht dampfenden Flüssigkeit - eigentlich hat der Kaffee jetzt die optimale Temperatur zum Trinken, aber statt ein paar Schlucke zu nehmen, beginne ich aggressiv in meinem Getränk herumzurühren.
Zum Ärger gesellt sich nach und nach Nervosität dazu:
Vielleicht steht er ja im Stau, denke ich.
Nein, bei dem Wetter ist auf den Straßen nicht viel los... Aber es könnte gut sein, dass er im Auto wartet, bis der Regen vorbei ist...hmm...das ist allerdings unwahrscheinlich, vom Parkplatz bis zum Markt braucht man keine zwei Minuten...
Er könnte natürlich auch einfach daheim geblieben sein, weil er es sich anders überlegt hat...
Jep.
Drecksack.
...
Abrupt werde ich aus meinen Gedanken gerissen, denn die alte Dame am Nachbartisch hat sich eben geräuspert und meint nun in leicht belustigtem Ton:
,,Passen Sie doch auf, junger Mann, Sie verschütten ja alles!"
Ich blicke nach unten.
Durch mein dämliches Rumgerühre ist bereits der halbe Kaffee auf meine Untertasse geschwappt, auch meine Hose und der Tisch haben etwas abbekommen. Mit tomatenrotem Gesicht stammle ich ein paar zusammenhangslose Worte.
Die Lust zum Warten ist mir nun endgültig vergangen.
Steif erhebe ich mich, wische mit einer Serviette einige Kaffeeflecken von meiner Kleidung und werfe einen kurzen Blick nach draußen. Der strömende Regen hat sich glücklicherweise in ein leichtes Nieseln verwandelt und ein vereinzelter Sonnenstrahl, der just in diesem Augenblick aus der Wolkendecke stößt, macht es endlich möglich, das wiederauflebende Treiben an weiter entfernten Ecken des Marktes zu beobachten.
Das goldene Licht fällt durch die Scheiben einer weiteren Caféstube, die sich am anderen Ende des Platzes befindet.
Und dort, an einem der kleinen Tisch, sitzt einsam und verlassen ein eher unauffälliger Junge in meinem Alter, der immer wieder nervös auf seine Armbanduhr sieht.
Endlich dämmert es mir.
Ein dämliches Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus.
Hastig greife ich nach meiner Tasche, der Jacke und meinem ausgebeulten Hut, kippe mir den mittlerweile kalten Kaffee in einem Zug hinter die Binde und klatsche der verdutzten Kellnerin im Vorbeigehen einen Zwanzig-Euro-Schein vor die Nase.
Die Ladenglocke bimmelt laut und enthusiastisch, als ich die Tür aufreiße und hinaus auf das Pflaster stürme, das bereits in der Sonne zu trocknen beginnt.
...



,,Wer kennt es nicht - die Vorfreude auf ein erstes Treffen, den steigenden Adrenalinpegel, die Nervosität, das Warten?
Manchmal erfüllen sich die Hoffnungen, manchmal muss man eine herbe Enttäuschung hinnehmen, die dem Ego einen fetten Dämpfer versetzt..."
...
Mit dieser kurzen Geschichte gebe ich mein schriftstellerisches Debüt, seid deshalb bitte ein wenig nachsichtig mit mir ;-)
Wenn ihr Anmerkungen, Lob oder auch Kritik habt, würde ich mich über Rückmeldungen in den Kommentaren freuen. Ich werde allerdings nicht antworten können, da ich beabsichtige anonym zu bleiben.

Vorschläge für weitere Geschichten sind ebenfalls gern gesehen, denn ich möchte auch in Zukunft solche verfassen, möglichst nach Eurem Geschmack ;-)

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Kommentare (3)
  • ...ich bin begeistert von deiner Kurzgeschichte👍 du hast die Unruhe und die Nervosität des Protagonisten wunderbar beschrieben. Man fiebert regelrecht mit ihm mit. Außerdem sind die Wortwahl und der Ausdruck erstklassig, der Spannungsbogen sehr gut gewählt und die Auflösung optimistisch. Ich bin jetzt schon ein Fan und freue mich auf weitere Geschichten. Wäre nur schön, wenn du dir irgendein Pseudonym gibst, damit ich deine Geschichten sofort erkenne. Ganz liebe Grüße 👋

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  • wirklich gut geschrieben. Weil du schon fragst, wie wär es mit einer "Wiedersehen" Geschicht :)?

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  • Schön geschrieben und beschrieben. Debut gelungen ☺️

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