Es war schon dunkel, als ich nach Hause kam. Meine Mutter erwartete mich bereits und schrie mich sofort an, warum ich so spät käme. Ich sagte, dass ich noch bei Sam war wegen Hausaufgaben. Sie schaute mich stumm an, während ich an Ihr vorbei in mein Zimmer ging, um mich für's Bett fertig zu machen. Als ich auf die Uhr schaute, war es mittlerweile halb eins. "Wusste gar nicht, dass du Hausaufgaben bei Freunden machst", hörte ich meine Mutter von der Zimmertür aus sagen. Ich fauchte sie etwas an: „Und wir haben wohl das Klopfen verlernt, oder wie?" Sie schaute mich ziemlich ernst an und ging.
Nachdem meine Mutter das Zimmer verlassen und die Tür geschlossen hatte, ging ich ins Bett und kuschelte mich in den Traum, bis mich der Wecker um viertel vor sechs aus meinem Schlaf riss. Mann, hatte ich eine Laune. Kein Wunder, wenn man nachts gegen eins ins Bett geht. Also stieg ich murrend aus meinem Bett und ging ins Bad, das leider wie immer stundenlang von meiner Schwester Anna besetzt wurde. Also wartete ich vor dem Badezimmer, bis sie es dann nach einer halben Ewigkeit verlassen konnte. Als ich dann nach einer viertel Stunde im Bad fertig war, ging ich in die Küche, um zu frühstücken. Ein Toastbrot und eine Tasse Kakao. Meine Mutter war schon sehr früh arbeiten gegangen. Somit waren meine Schwester und ich alleine zu Hause.
Später in der Schule erwartete mich Sam. Er hatte in der Pausenhalle mit seiner Freundin auf mich gewartet. "Hey Kay. Hat deine Mutter noch irgendwas wegen gestern gesagt?", hörte ich ihn fragen. Ich schüttelte stumm den Kopf und ging weiter Richtung Klasse. Gerade als ich hinein wollte, sah ich schon Herrn Wittner mit einem Jungen, den ich nicht kannte, zu der Klasse laufen. Der Junge schaute etwas schüchtern die Klasse an, als Herr Wittner ihn vorstellte. "Ruhe... RUHE, SAGTE ICH! Also das ist Marc Schuster. Marc setz dich doch einfach mal auf den freien Platz neben ihn." Dabei zeigte Herr Wittner auf den Platz neben mir, der seit Anfang des Schuljahres leer war, weil einer die Klasse wiederholden musste. Marc zögerte etwas, bis er sich dann schließlich neben mich setzte. "Also gut. Dann schlagt mal bitte euer Buch auf Seite 58 auf."
Als es dann nach den zwei langweiligsten Stunden, die ich je hatte, dann zur Pause klingelte, sah ich Marc laufen. Na ja, eher ein Joggen, als würde er vor irgendetwas fliehen. Ich achtete nicht weiter darauf und ging auf den Pausenhof zu Sam und seiner Freundin Monika. Die beiden sind seit vier Monaten zusammen. Sam fragt mich manchmal, ob ich nicht auch endlich eine haben möchte. So wie heute. "Nein. Ich habe momentan Wichtigeres im Kopf. Die letzte Prüfung steht bald an und ich muss noch lernen. Da kann ich mir keine Freundin leisten. Die würde mich nur ablenken."
"Tolle Ausrede. Dir ist wohl nichts Besseres eingefallen. Habe ich Recht? Du hast doch nur Angst, keine abzubekommen. Du hättest nie mit Jessica Schluss machen sollen. Ihr wart echt ein tolles Paar", sagte er zu mir und deutete auf sie. Jessica und ich waren zwei Jahre zusammen. Aber irgendwann fühlte ich nichts mehr und habe es vor einigen Wochen beendet. Sie schien wohl noch nicht darüber hinweg zu sein, denn immer wenn ich an ihr vorbeigehe, sehe ich, dass sie Tränen in den Augen bekommt. Na ja, okay, zwei Jahre sind schon eine verdammt lange Zeit. "Ach halt doch den Mund Sam. Ich möchte jetzt einfach keine und damit basta." Damit ich mir nicht weiter sein Gelaber anhören musste, lügte ich, dass ich zum Schulkiosk ginge, um etwas zu trinken zu holen. Als ich dann losging, entdeckte ich Marc alleine auf einer Bank sitzen. Ich lief zu ihm. Er schaute immer noch ziemlich schüchtern und sehr verängstigt. "Hi Marc. Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Kaylen. Aber alle nennen mich hier Kay", sagte ich, während ich mich dann zu ihm setzte. "Hi", kam es leise, fast wie ein Flüstern, aus seinem Mund. Es klingelte dann zur nächsten Stunde. Mein Lieblingsfach Biologie kam dran. Gott, wie ich es hasse.
Als ich dann endlich den Schultag lebend überstanden hatte, machte ich mich auf den Heimweg. Ich schaute mich nach Sam um, denn er hatte den gleichen Weg wie ich. Aber ich sah ihn nirgends. Wahrscheinlich ist er mit zu Monika gegangen. Also ging ich nach Hause. Kurz vor unserer Straße sah ich eine Haustür offen stehen und einen Umzugslaster. Anscheinend bekamen wir neue Nachbarn. So nett, wie ich auch bin, klopfte ich an der offen stehenden Tür. Eine Frau kam zu mir. Langes gewelltes schwarzes Haar. So um die 35-40 Jahre alt. "Hallo, ich bin Kaylen, euer Nachbar. Wir wohnen im Eckhaus",sagte ich freundlich. Sie schaute mich an und lächelte: „Ich bin Carolin. Komm rein." Ich schüttelte den Kopf und sagte, dass mich meine Mutter mit dem Essen erwartete und ich nach Hause müsste. Sie nahm das hin und verabschiedete sich von mir. Als ich dann endlich zu Hause ankam, war das Essen bereits auf dem Tisch. Meine Mutter kam dann in das Esszimmer und setzte sich zu mir. "Du sag mal, hast du heute eigentlich schon was vor?", fragte sie mich, während ich mir die Kartoffeln auf den Teller schippte. Ich schaute sie etwas verwirrt an und antwortete: „Eigentlich nur Hausaufgaben und dann ... keine Ahnung. Wieso fragst du?" Sie fing dann an zu erzählen, dass eine alte Schulfreundin von ihr mit ihrem Sohn hergezogen sei und fragte mich, ob ich ihr denn beim Umzuge helfen könnte. Meine Mutter würde dann später nachkommen, weil sie vorher noch zur Bank müsste. Ich nahm die Bitte zu helfen an. Als ich dann fertig war mit dem Essen, ging ich hinauf in mein Zimmer und fing mit den Hausaufgaben an. Mathe war recht einfach, dadurch dass ich ein Ass war. Bei Englisch ging es dann eigentlich noch.
Nachdem ich dann endlich fertig war, machte ich mich auf den Weg zu der Adresse, die mir meine Mutter gab. Als ich dort ankam, sah ich, dass es das Haus von Carolin war. Ich klopfte an der Tür und sie rief, dass ich doch hereinkommen solle. Also folgte ich der Stimme, die anscheinend aus dem Wohnzimmer kam. Carolin schaute mich überrascht an. "Meine Mutter meinte, ihr könntet etwas Hilfe gebrauchen. Ich helfe gerne." Sie guckte mich verwirrt an und dann fiel es ihr ein: „Ach, du bist dann der Sohn von Frauke. Ja, dann kannst du dir den Eimer nehmen und anfangen, die Wand dort hinten zu streichen. Mein Sohn kommt auch gleich nach Hause, dann könnt ihr das zusammen machen." Sie lächelte und ging dann in die Küche. Ich fing gerade mit der Wand an, als ich Schritte hinter mir hörte. Als ich mich dann umdrehte, sah ich Marc. "Kay, was machst du bitte hier?" Ich schaute ihn an und musste lachen. "Ich helfe deiner Mutter beim Streichen. Auftrag von meiner Mutter. Aber wenn es dich stört, kann ich auch gerne gehen." Er schaute mich an und musste grinsen. Oh Mann, er hat voll das süße Grinsen ... stopp, warum interessiert mich sein Grinsen? Oh Mann, ich bin verrückt. "Nein, das geht in Ordnung. Wenn deine Mutter das wollte und meine auch einverstanden ist, dann ist das okay", sagte er mit diesem super süßen Lächeln und verschwand aus dem Wohnzimmer. Ich machte dann weiter mit dem, was ich tat.
Irgendwann schaute ich auf die Uhr und bemerkte, dass es schon nach fünf war. Carolin kam herein und brachte mir Tee. Marc kam ihr hinterher mit einem Tablett, wo belegte Brötchen darauf waren. Somit setzten wir uns und redeten ein bisschen. Ich erzählte, dass Marc in meine Klasse gekommen war und neben mir sitzen würde. Auch dass er ein sehr ruhiger ist, erzählte ich. Als ich zu Ende gesprochen hatte, sah ich, dass Marc wieder verängstigt aussah und rennend den Raum verließ. "Habe ich etwas Falsches gesagt?", fragte ich verunsichert. Seine Mutter sah zur Tür und antwortete: „Du musst wissen, dass Marc von seiner alten Schule gemobbt wurde. Daraufhin sind wir hierher gezogen, um neu zu beginnen. Sein Vater ist schon sehr früh gestorben und wir haben es nicht immer leicht im Leben. Er hat Angst, dass man ihn hier auch mobbt, wenn die herausfinden, das er ..." Weiter sprach sie nicht und ich wollte auch nicht darauf eingehen. Stattdessen stand ich auf, um Marc zu suchen. Ich fand ihn dann auch schließlich in seinem Zimmer. Als ich anklopfte, kam nur ein leises "Ja" aus dem Zimmer. Ich machte die Tür einen Spalt auf und sah, dass er auf dem Bett lag. Seinen Kopf hatte er tief in das Kopfkissen vergraben. Langsam ging ich auf ihn zu und fragte, ob ich mich setzen darf. Er nickte leicht und ich setzte mich neben ihn auf das Bett. Nachdem ich mich dann hingesetzt hatte, richtete er sich auch auf und wischte noch einige Tränen aus seinem Gesicht. "Deine Mutter hat mir erzählt, weshalb dir die Schule solche Angst macht. Das ist echt blöd, was du auf der anderen durchmachen musstest. Aber wieso haben die dich dort gemobbt? Wenn du es nicht erzählen möchtest, kann ich das verstehen", sagte ich leise. Er schaute mich an und antwortete etwas zögernd: „In meiner alten Schule haben die rausgefunden, dass ich anders bin als andere. Ich habe es schon sehr früh gemerkt, dass ich für Jungs mehr empfinde als für Mädchen. Ich bin schwul und das haben die auf der alten Schule ausgenutzt und haben angefangen, mich zu mobben. Ich gehe seit `nem Jahr damit offen um, aber es ist trotzdem sehr schwer für mich." Und schon brach er wieder in Tränen aus. Ich näherte mich ihm und nahm ihn in den Arm. Er erwiderte es und schloss auch seine Arme um mich. Er konnte sich richtig ausweinen. Ich bemerkte, dass mir diese Umarmung gefiel. Nach einer gefühlten Ewigkeit lösten wir uns etwas und sahen uns in die Augen. Er hatte strahlend blaue Augen. Er kam langsam näher, bis er meine Lippen mit seinen berührte. Ich war etwas überrascht, aber erwiderte den Kuss. Es war ein Gefühl in mir, dass ich nicht beschreiben konnte. Aber es war ein schönes Gefühl.
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Ich würde nicht das Wort "kopiert" benutzen, sondern eher "sich inspirieren lassen".
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