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Allergisch gegen das eigene Sperma

Ratgeber

iBoys Magazin ©Shutterstock
Die Symptome treten selten auf, sind jedoch alles andere als angenehm: Manche Männer zeigen nach dem Orgasmus Anzeichen einer Grippe. Bisher dachten Mediziner, die Ursache sei psychischer Natur. Niederländische Forscher kommen nun jedoch zu einem anderen Schluss.
Marcel Waldinger und sein Forscherteam von der Universität Utrecht beschäftigen sich mit sehr kuriosen Krankheiten: Beispielsweise mit dem Restless Genital Syndrome, einer Erregungsstörung des Genitalbereichs, die nur bei Frauen bekannt ist. Betroffene werden durch kleinste Bewegungen andauernd sexuell stimuliert. Anfangs mag die Störung noch ihren Reiz haben. Doch mit der Zeit wird sie unerträglich und kann zu Depressionen führen. Ebenso mysteriös klingt ein Phänomen, mit dem sich die Wissenschaftler aktuell in zwei Studien im "Journal of Sexual Medicine" auseinandersetzen: Manche Männer erleiden direkt nach einem Orgasmus grippeähnliche Symptome. Sie fühlen sich schlapp, fiebrig und sehr müde, die Nase läuft und die Augen brennen, Kopfschmerzen können auftauchen. Der Zustand kann einige Stunden bis hin zu mehreren Tagen andauern. Bei den meisten Betroffenen führt es irgendwann dazu, dass sie sexuelle Aktivitäten gänzlich meiden. Diesem Erkrankungsbild haben Mediziner den Namen Postorgasmic Illness Syndrome verpasst, kurz POIS. Ein Blick in die medizinische Datenbank PubMed verrät, dass POIS nicht nur selten vorkommt, sondern bisher auch selten untersucht wurde. Marcel Waldinger, Neuropsychiater an der Abteilung für sexuelle Psychopharmakologie der Utrecht Universität, ist seit mehreren Jahren einer der wenigen Forscher weltweit, die sich mit dem Syndrom befassen: 2002 veröffentlichte er erstmals einen medizinischen Artikel über zwei POIS-Fälle.
Keine psychischen Ursachen Bisher gingen die Forscher davon aus, dass es sich um eine Störung mit psychischen Ursachen handelt. Doch jetzt haben Waldinger und seine Kollegen erstmals Beweise dafür gefunden, dass es sich stattdessen höchstwahrscheinlich um eine Allergie gegen das eigene Sperma handelt. Die Forscher untersuchten insgesamt 45 niederländische Patienten, die an POIS leiden: Keiner der Probanden fühlte sich krank, wenn er masturbierte, ohne dabei zum Samenerguss zu kommen. Sobald die Männer aber ejakulierten, zeigten sich die Symptome teilweise binnen weniger Minuten. 33 der Probanden unterzogen sich einem gängigen Allergietest, dem sogenannten Pricktest. Dabei wurde den Testpersonen eine verdünnte Lösung ihrer eigenen Samenflüssigkeit auf den Unterarm getropft und anschließend mit einer kleinen Nadel in die Haut eingestochen. 29 Probanden zeigten anschließend eine typische allergische Reaktion in Form einer Rötung, berichten die Forscher. Die Resultate deuteten darauf hin, dass die Patienten an einer Autoimmunkrankheit litten. Als solche werden Krankheiten bezeichnet, die dann auftreten, wenn das Immunsystem überempfindlich gegen körpereigenes Gewebe reagiert. "Die Ergebnisse sind für Wissenschaftler, die sich mit POIS beschäftigen, ein wichtiger Durchbruch", sagt Waldinger. Denn, so das Ergebnis einer zweiten Studie der Forscher, den Betroffenen könnte geholfen werden: Zwei der Probanden unterzogen sich einer Hyposensibilisierung, einem gängigen Therapieverfahren bei Allergien. Dabei werden dem Patienten über einige Jahre hinweg in steigenden Dosen die allergieauslösenden Stoffe, die sogenannten Allergene, gespritzt. Und so wurden auch den POIS-Probanden verdünnte Lösungen ihrer eigenen Samenflüssigkeit direkt unter die Haut gespritzt. Allergietherapie möglich Allerdings sind zwei Probanden eine sehr, sehr kleine Basis für eine medizinische Studie. Es ist also noch längst nicht gesichert, ob ein solcher Ansatz Betroffenen tatsächlich helfen könnte. Die Mediziner stellten zudem fest, dass sich die Symptome nach einer sehr langen Therapiedauer deutlich besserten. Bei einem der Probanden dauerte es ein Jahr, bis er nicht mehr von den Symptomen geplagt wurde, der andere musste sich drei Jahre lang eigenes Sperma spritzen lassen. Derzeit unterziehen die Ärzte weitere Patienten der Therapie, um zu umfassenderen Ergebnissen zu gelangen. Vagen Schätzungen zufolge könnten 0,25 bis 1 Prozent der Bevölkerung an POIS leiden, doch genaue Zahlen darüber gibt es bisher noch nicht. Forscher vermuten aber eine hohe Dunkelziffer, da Männer mit diesen Problemen sich schämen könnten, darüber zu berichten. Die meisten aber, so die Vermutung der Mediziner, wüssten gar nicht, dass eine solche Krankheit überhaupt existiert, und kämen gar nicht auf den Gedanken, ihre Probleme mit dem eigenen Sperma in Verbindung zu bringen. Ebenso selten - aber wissenschaftlich untersucht - ist die Spermaallergie bei Frauen. Für gewöhnlich kommt es dabei zu örtlichen Reizungen der Haut, manchmal kommt es bei den Betroffenen aber auch zu Erbrechen oder Durchfall - und in ganz extremen Fällen zu Bronchialasthma und sogar zum lebensbedrohenden Zusammenbruch des Herz-Kreislauf-Systems (anaphylaktischer Schock). Die überschießende Reaktion des Immunsystems richtet sich dabei gegen ein bestimmtes Protein in der Samenflüssigkeit. Hilfe für Allergikerinnen ist in dem Fall aber leicht: Kondome schützen vor einem Ausbruch.
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